Der kleine Unterschied

Egal, wie gut man eine Sprache spricht oder wie sehr man sich mit einer Kultur auseinandergesetzt hat – irgendwann stößt man doch auf Dinge, die einen überraschen. Das können Formulierungen sein oder Verhaltensweisen, gesellschaftliche Normen oder ganz alltägliche Dinge.

Es sind gerade diese Dinge, die beim Reisen so besonders spannend sind. So durfte ich auch bei meinem letzten USA-Besuch dazulernen. Im Supermarkt fallen beispielweise zunächst die gigantischen Packungsgrößen auf. Vergeblich sucht man nach der Literpackung Milch oder der kleinen Packung Eier. Das liegt daran, dass die Amerikaner zumeist weniger als einmal wöchentlich einkaufen und – besonders in ländlichen Gegenden – viele Meilen zum nächsten Walmart oder Safeway zurücklegen müssen. Dazu ist das Angebot schier unbegrenzt. Ratlos steht man vor dem meterlangen Regal und hat die Qual der Wahl. Gerade in Discountern ist man von der Produktauswahl überfordert, besonders, weil man gern alles ausprobieren und mit heimischen Produkten vergleichen möchte.

Dass man stets bei jeder Gelegenheit gefragt wird, wie es einem geht, ist besonders für den erzählfreudigen Touristen, der unterwegs sicher eine Menge erlebt hat, eine große Verlockung. Doch statt des ausführlichen Berichts über das werte Befinden sollte man es den Landeseinwohnern nachmachen und mit einem „Good, and you?“ oder einem freundlichen Lächeln antworten.

Für eine kleine Irritation sorgte anfänglich auch die Tatsache, dass man, anders als man es im Heimatland gewohnt ist, nach dem Essen in einem Restaurant unmittelbar nachdem man den letzten Happen verspeist hat, die Rechnung präsentiert bekommt. Den Abend gemütlich bei einem Fläschchen Wein ausklingen zu lassen, ist bei den meisten Restaurants unüblich. „Prompt presentation of bill“ ist ein Merkmal für guten Service. Und der wird im Land der unbegrenzten Möglichkeiten bekanntlich großgeschrieben. So trifft man noch übermotivierte Tankwarte, bekommt endlose Refills oder tellerweise Cookies aufs Haus.

Am meisten überrascht war ich als grummelige Großstädterin besonders von der Freundlichkeit der US-Amerikaner. Man mag es, wie so häufig, als Oberflächlichkeit abtun, aber die Höflichkeit, die einem entgegengebracht wird, wirkt auf den Berliner von heute zunächst suspekt, dann angenehm und schließlich tiefentspannend.

Meine Lieblingsepisode war übrigens, als ich frisch gewaschene Wäsche in der warmen Sonne auf der Terrasse eines Condos trocknen wollte aber vehement davon abgehalten wurde. Denn fremde Leibwäsche sehen die Amerikaner gar nicht gerne in der Öffentlichkeit und rufen gerne die Polizei, wenn sie sich dadurch belästigt fühlen.

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